Wer sich aus dem Trubel von Promenaden-, Hafen- oder Schlossseefest, vielleicht von Open-Air-Anstürmen versehentlich verirrt hätte, hierher auf den Herbstenhof zwischen Billafingen und Seelfingen, der hätte sich verwundert die Augen gerieben und gegebenenfalls milde gelächelt über die Szenerie und die Musik unter mächtigen Baumriesen. Das „8. Festival der Bäume“ von Jens Eloas Lachenmayr, das an diesem Standort Premiere feierte, inszenierte eine andere Welt – einen Gegenpol zu Massenaufläufen und Mainstream – und predigt eher leise den Respekt vor Menschen und Natur. Verkehrt muss das nicht sein.
Gut zweihundert Besucher sind gekommen, haben sich auf der Wiese ausgebreitet und lauschen den mystisch wirkenden, aber doch vertrauenswürdig klingenden Worten. Tausendmal geklont, könnte die Szenerie ein bisschen an ein leises Woodstock erinnern, ein bisschen Anti-Atomkraft-Bewegung der ersten Jahre. Sieht so etwa das Königreich Bhutan aus, wo Glück und Zufriedenheit der Menschen und nicht Aktienkurse oder das wirtschaftliche Wachstum den Alltag prägen?
Wahrscheinlich ist es nicht die Wel ten esche Yggdrasil, unter der Landwirt Hubert Möhrle aus Großschönach, über die Bäume dieser Erde referiert. Aber von diesen Ausmaßen muss der sagenhafte Quell des Lebens wohl gewesen sein, von dem die Edda-Sagen berichten. Möhrle spricht über ihre Besonderheiten und Qualitäten, über die Weisheiten, die mit dem Baumsterben verloren gehen. Vor ihm liegen die Leute im Gras und lauschen aufmerksam, Schüler, Studenten und Senioren.Auch wer nicht geprüft hat, ob unter Eichen im Mittelalter tatsächlich härtere Strafurteile gefällt wurden als unter Linden, wer dieser Mystik wenig abgewinnen kann, der dürfte zumindest angerührt sein.
Von den „Söhnen und Töchtern dieser Erde“ singen die Neuen Barden um Jens Eloas Lachenmayr und von den „Friedvollen Kriegern“. Die haben eben eine neue CD unter dem Titel „Pilgerreise Immergrün“ herausgegeben. Das Album versteht sich als „Ode an das Leben“ und ist „garantiert Gema-frei“. Auf der Bühne erzählt der ausgebildete Barde Lachenmayr von seiner Verwandlung – nach dem Streit als Straßenmusiker mit der Bürgermeisterin wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und eines Bußgelds: alles völliger Quatsch. „Auf einmal ist mir klar geworden, dass mit dieser Haltung, die ich da habe, auf keinen Fall wieder Frieden entsteht“, berichtet er über das Ausmisten seiner Seele nach dem Tod seiner Mutter. Das Lied „Friedvolle Krieger“ nennt er eine „Essenz dieser Erfahrung“.
Selber Frieden schließen, selbst Frieden machen, lautet sein Appell. „Solange wir glauben, dass Krieg oder Frieden von einigen Politikern gemacht wird, sind wir total auf dem Holzweg“, belehrt der „ausgebildete Barde“ seine Fans und bedauert „die da oben“. Wer Frieden wünsche, müsse ihn schon im eigenen Herzen schaffen. Ein guter Ansatz. „Stell dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“, sagt der Barde. Doch wer den Herbstenhof hinter sich gelassen, denkt eher: Stell dir vor es gibt Frieden und keiner will ihn. Wie gut, dass es noch Träume und Visionen gibt…
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